Oshury – Session 12: Besuch bei der alten Dame

Oshury – Session 12: Besuch bei der alten Dame
Auf dem Gestüt der Gilmores werden prächtige Pferde gezüchtet – das weckt Begehrlichkeiten

Skarild, Nathanael und Grolak setzten ihre Suche nach den Räubern des Dornhalsreif des Aengus fort. Schwester Willow O'Hannon, die Vorsteherin des Asja Schreins, erzählte ihnen eine der Mythen um Asja-Gal und ihren jüngsten Sohn Aengus, die einiges Licht in die Zusammenhänge brachte:

Asja-Gal ist die Kopfgeburt Asjas, die älteste der Drei Schwestern. Wo Asja für gerechte Herrschaft steht, ist Asja-Gal ungerecht und herrschsüchtig. Wo Asja verlässlich und standhaft wie die Weide ist, ist Asja-Gal sprunghaft und wankelmütig. Wo Asja den Glauben an ein Schicksal, das es mit Würde zu tragen gilt, vermittelt, spricht Asja-Gal für ein Aufbegehren und die Ungerechtigkeit des Schicksals. Wo Asja den Adel als eine schützende Kraft für die Schwächeren sieht, nutzt ihn Asja-Gal als Unterdrückungsinstrument. Wo Asja Schutz verspricht, ist nach Asja-Gal Schutz nur in Stärke und Härte gegenüber den anderen zu finden.
Asja-Gals Zeichen ist die entwurzelte Weide mit Dornenbändern, die sich ins Holz bohren.
Asja-Gal hatte mehrere Söhne. Am meisten nach seiner Mutter kam aber ihr Jüngster, Adrus. Er eiferte danach, noch herrischer als seine Mutter zu sein. Er suchte sie in ihren Grausamkeiten zu übertreffen; knechtete und unterdrückte das Volk. Doch was er auch tat, seine Mutter gab ihm keine Anerkennung dafür. Stattdessen wurde sie immer bestimmter in ihrem Bestreben, Adrus zu unterwerfen und ihn klein zu halten. War er ein König, so war sie die Kaiserin, vor der er die Knie zu beugen hatte. Oft demütigte sie ihn vor anderen. Letztlich zwang sie ihn eine Dornenhalsreif anzulegen, der ihn auf immer ihr Untertan machte. Das ließ seinen Zorn und seine Scham ins Unendliche wachsen und brachte ihn schließlich gegen seine Mutter auf. So ging er zur Schwester, Asja, um sie dazu zu überreden, ihm gegen Asja-Gal zu helfen. Doch als er die Weide erblickte und unter ihren Zweigen zum ersten Mal zur Ruhe kam, sich in ihrem Schutz niederlegte und sich frei und geborgen fühlte, wurde er verwandelt. Asja nahm ihm den Dornenhalsreif mit den Worten ab:
Die Macht der Schwester breche ich, denn sie ist ich und ich bin sie. Aus meinem Kopf war sie entsprungen und so ist ihre Herrschsucht mein Verlangen. Meine Wille zählt, auch wenn er wankt, so breche ich den Zauberbann.

Währenddessen ging Nathanael dem Verdacht nach, dass die Ygtras Kirche etwas mit den Räubern zu tun haben könnte. Dazu machte er sich an Cautes, einen der beiden Fackelträger des "Strahls der Ygtras", Lufran, heran. Er passte ihn früh morgens zwischen den Felsen am Meer ab und erhöhte dessen Zuneigung ungemein durch einen Charm Person. Der Flirt im Morgengrauen war erfolgreich und Cautes versprach sich weiter umzuhören. Ein Treffen am nächsten Tag wurde vereinbart. Es wird eine ganze Woche dauern, bis Cautes seine Beziehung zu Nathanael noch einmal überdenken wird.

Grolak, der den Tulpenstiefelträgern in Skaegh nachspionierte, traf zwischen den Schweineställen auf Austin Vaughan. Die Gruppe hat noch etwas bei ihm gut, woran ihn dessen Frau erinnerte. So erzählte er Grolak mehr über Mellris. Bevor dieser in Nacht und Nebel aus Skaegh getürmt war, nachdem er seiner Kollegin die begehrten Tulpenstiefel gestohlen hatte, hatte er im Dorf durchaus Freunde. Dazu zählte der Fischer Quast, der Reitknecht Eoth und die Händlerlehrkraft Swana. Austin erzählte Grolak, dass vor etwa einem Monat vier tüchtige Reitpferde vom Gestüt der Gilmores gestohlen wurden. Gwenn Gilmore hält dies aber geheim. Und es ist ausgerechnet Eoth, der Freund Mellris, der auf dem Gestüt als Reitknecht arbeitet.

Zwischenzeitlich brachte Nathanael sein Fundstück aus dem Treibguthaufen bei den Blitzkrabben in Schwester Ciannait Uí Siats Laden vorbei, um es untersuchen zu lassen. Mit dem Ergebnis sollte er einen Tag später sehr zufrieden sein: Das Fläschchen mit dem rissigen Ei darauf enthielt offenbar einen Schlaftrunk, für den Ciannait dem Magier 60 Goldstücke bezahlte.

Gemeinsam statteten die drei dann dem Gestüt Gilmore einen Besuch ab. Die Geschäfte liefen offensichtlich ausgezeichnet: an der Erweiterung der  Stallungen wurde fleißig gearbeitet und viele Sommerfohlen sprangen auf der Koppel umher. Die Gruppe wurden von der Herrin des Hauses in der Guten Stube empfangen. Dort hingen nicht nur zahlreiche Ölgemälde preisgekrönter Pferde, es saßen auch mindestens ein Dutzend Katzen auf den Bänken, Stühlen, Fensterbänken und Tischen. Nur widerwillig machten sie den Fremden Platz. Grolak, der eine schwarz-weiß gestreifte Katze auf seinen Schoß nahm, kam bei dieser wohl nicht gut an. Fauchend und mit aufgestelltem Schwanz verzog sie sich unter den Ofen.

Die Drei wurden von Gwenn Gilmore empfangen. Eine Frau Anfang Vierzig mit mondförmigem Gesicht und Kinngrübchen, mandelförmigen, braunen Augen und Haaren, die durch ein Haarband nach hinten gehalten wurden. Sie trug einen sportlichen Reitrock und Peitsche. Gwenn war zunächst nicht erfreut, dass die Charaktere von Diebstahl ihrer vier Pferde wussten. Sie gestand, dass sie den Diebstahl gegenüber der Ygtras-Kirche, für die sie bestimmt waren, verschwiegen und eine Lüge über eine angeblich ausgebrochene Maul- und Klauenseuche erfunden hatte. Während des ganzen Gesprächs war das knarzende Wippen des Schaukelstuhls der alten Mutter Gilmore aus dem Nebenzimmer zu hören. Immer wieder quittierte sie die Aussagen ihrer Tochter von dort aus mit spöttischen Einwürfen. Sie schien jedes noch so leise gesprochene Wort mitzuhören.

Die Gruppe bot Gwenn an, sie auf ihrer geplanten Reise nach Blenghor zu begleiten. Dort wollte sie nach dem Verbleib ihrer Pferde fahnden, da sie sich ziemlich sicher war, dass die Grauen Reißzähne sie gestohlen und in der nächstgelegenen großen Stadt zu Geld machen würden. Mit etwas Glück könnte sie dort die mit dem Brandzeichen des Gestüts markierten Pferde wieder zurück kaufen, so Gwenns Hoffnung. Zusammen mit ihrem Reitknecht Eoth hatten sie vom Gestüt aus die Spuren der gestohlenen Pferde bis zu einer Stelle nicht weit vom Gestüt verfolgt. Dort waren die Diebe offensichtlich aufgestiegen. Danach verlor sich die Spur in den Skaegher Wiesen. Die Gruppe handelte einen Preis von 20 Goldstücke für ihren Geleitschutz zu und von Blenghor an. Außerdem ist Gwenn bereit 30 bis 40 Goldstücke für die Rückführung jedes ihrer Pferde zu bezahlen. Der Aufbruch wurde auf den übernächsten Tag festgelegt.

Als die Charaktere auf dem Rückweg nach Skaegh waren, eilte ihnen die freundliche Magd hinterher, die ihnen beim Hof geöffnet hatte. Sie trug einen Korb mit frisch gebackenen süßen Brotkuchen, die sie mit freundlichen Grüßen der Gilmore Mutter überreichte. Mit leiser Stimme fügte sie hinzu: Die Herrin wünscht euch heute Nacht zu sprechen. Kommt zur zweiten Nachtstunde zum Haupthaus. Seid aufmerksam, dass euch niemand sieht und nehmt euch vor den Hunden in Acht.

Nathanael und Skarild brachen zur rechten Zeit in Richtung Gestüt auf. Sie erreichten trotz hellem Sternenhimmel das Hauptgebäude. Ein heftiger Sturm sorgte dafür, dass sie sich nicht allzu leise anschleichen mussten. Eine Schüssel mit Brotkuchen, zwischen die Fensterläden gestemmt, markierte die Schlafkammer der Großmutter, in der sie die beiden schon erwartete. Sarith Gilmore machte keinen Hehl daraus, dass sie Eoth nicht über den Weg traute. Sie erzählte vom Verhältnis ihrer Tochter mit dem Reitknecht und gab daher nichts auf deren Urteil. Sie selbst hatte beobachtet, wie Eoth sich in mehreren Nächten davongestohlen hatte und erst in den frühen Morgenstunden zurückkehrte. Außerdem soll er sich nachts bei den Ställen und auf der Koppel herumgetrieben haben. Die alte Dame bat Nathanael und Skarild, Eoth auf den Zahn zu fühlen. Und die beiden gingen das direkt mit einem Besuch in dessen Dachkammer an.

Skarild stieg, während der Sturm tobte, die steile Treppe zur Fensterluke hinauf. Im Inneren war es dunkel, doch ein paar gelber Katzenaugen starrten Skarild entgegen. Der Kater, vor dem sie Sarith gewarnt hatte, ließ sich aber durch einen Fisch ablenken. Skarild kletterte unbemerkt in die Kammer, wo Eoth schnarchend in seinem Bett lag. Sie begann die ganze Kammer zu durchsuchen, was bei dem ganzen Durcheinander einige Zeit dauerte. Dann fand sie ein loses Wandpanel. Darin eine Ledermappe mit Dokumenten und einem festen Gegenstand. Sie nahm die Mappe an sich und schaute sich eine Truhe, die unter Eoths Bett stand, genauer an. Da sie befürchtete, das Vorhängeschloss, das dessen Inhalt schützte, nicht lautlos aufbrechen zu können, nahm sie gleich die ganze Truhe mit.

Zurück in ihrem Zimmer in Skaegh, nahm Skarild Mappe und Truhe näher in Augenschein. Die Dokumente waren allesamt in Oshun geschrieben. Sie würde sie Dwinbar vorlegen müssen, um sie sich vorlesen zu lassen. Aus der Ledermappe kam noch ein eine metallene Scheibe von etwa 10 cm Durchmesser zum Vorschein. Die Silhouette einer Eidechse war darin eingraviert. Die Rückseite stattdessen war blank poliert und könnte als Spiegel oder Lichtreflektor Verwendung gefunden haben. In der Truhe lagen zwei Bilder einer Frau mittleren Alters. Sie zeigten sie in glücklichen Zeit mit einem Sonnenschirm im Garten und mit Schürze und breitem Lächeln in einer Küche. Außerdem lag in der Truhe eine alte Meerschaumpfeife und ein Lederbeutel. Darin fand sich eine gute Menge Gold in ein Ledertuch eingewickelt. Und ein kleineres Beutelchen mit acht Diamanten; jeder im Wert von 25GS. Schon bald wird Eoth den Diebstahl seiner Schätze bemerken.